BGH Edelstahlwerke
Die BGH Edelstahlwerke produzieren Edelstahl und Sonderwerkstoffe für höchste Beanspruchungen. Die Tochtergesellschaft BGH Edelstahl Freital GmbH ist mit rund 700 Mitarbeitern die größte der 6 Tochtergesellschaften. Ein moderner Elektrolichtbogenofen, die neu errichtete Horizontal-stranggussanlage, mehrere Umschmelzanlagen, hocheffiziente Walzstraßen und Schmiedeaggregate, eine kundenspezifische Wärmebehandlung sowie die flexible Adjustage und mechanische Bearbeitung erlauben es, kundenindividuelle Produkte auch in kleinen Losgrößen zu liefern. Die Werkstoffpalette umfasst eine Vielzahl von Rost-, Säure- und Hitzebeständigen Stählen, Edelbau-stählen, Werkzeugstählen und Sonderwerkstoffen.
Herausforderung - komplexe Materialflüsse, viele Restriktionen und kleine Losgrößen
BGH Freital produziert ein jährliches Gesamtvolumen von rund 100.000 Tonnen Edelstahl. Hauptprodukt sind gewalzte und geschmiedete Stäbe in einem Abmessungsbereich von 10 bis 160 mm Durchmesser und Längen von bis zu 12 m. Zusätzliche werden gegossene Schmiedeblöcke, Strangguss, Halbzeuge und gewalzte Drähte produziert. Das Produktprogramm besteht aus technisch anspruchsvollen Produkten in vielen Varianten: ca. 500 verschiedene Werksstoffe nach kundespezifischen Analysevorgaben werden regelmäßig produziert. Die auftragsspezifischen Anforderungen für Abmessungen, Oberflächen, Wärmebehandlungen und technologische Eigenschaften stellen hohe Anforderungen an die Produktionsplanung und –Steuerung (PPS). Die kleinen Losgrößen führen dazu, dass durchschnittlich ca. 8000 Aufträge mit 150.000 Arbeitsgängen gleichzeitig im Umlauf sind. Die Durchlaufzeit liegt zwischen einem Tag und vier Monaten.
Stabile und belastbare Kapazitäts- und Terminplanung – von der Stahlerzeugung bis zur Adjustage
Im Stahlwerk werden Schmelzen nach Werkstoff und Format zusammengestellt, dabei sind die entscheidenden Faktoren Kosten des Einsatzmaterials und Analysefolgen. Vor den Walzstraßen erfolgt eine Kampagnenbildung abhängig von Abmessung und Erzeugnis, um Umrüstaufwände möglichst gering zu halten. In der Wärmebehandlung werden Ofenlose anhand der Glühtemperaturen und Behandlungsverfahren gebildet mit dem Ziel einer hohen Ofenauslastung. Die anschließende Adjustage ist eine klassische Werkstattfertigung mit komplexen Materialflüssen.
Das Ziel war es, die Liefertreue zum Kunden auf über 90% zu steigern, gegen begrenzte und flexibel einstellbare Kapazitäten zu planen und dem Kunden realistische Termine direkt bei Auftragseingang zusagen zu können.
Voraussetzung hierfür ist die durchgängige Planung der Produktionsaufträge von der Stahlerzeugung, über die Umformung, bis hin zur Wärmebehandlung und Adjustage, dies immer mit Bezug zum Kundenauftrag und damit zum Kundenwunschtermin. Die Planung der Kapazitäten sollte sowohl mit Bearbeitungszeiten als auch mit Tonnage oder Stückzahl möglich sein.
Um eine stabile und belastbare Planung zu realisieren, muss die Produktion ausreichend Handlungsspielraum bekommen, um auf Störungen flexibel reagieren zu können, ohne dass ein ständiges Anpassen des Produktionsplans und häufiges Umplanen von Aufträgen erforderlich wird.
Transparenz und Flexibilität erreicht
Kapazitätsgeprüfte Planung mit dem 3Liter-PPS®
Für die komplexen Produktionsabläufe bei BGH hatte sich die Durchlaufterminierung üblicher Planungssysteme als ungeeignet erwiesen. Die sehr genaue Planung lieferte zwar exakte Ergebnisse, die aber aufgrund der zahlreichen nicht abbildbaren Restriktionen und der Störgrößen in der Produktion nie umsetzbar waren. Anders bei der taktorientierten Planung mit dem 3Liter-PPS®: Diese unterscheidet zwischen einer zentralen Grobplanung in Zeittakten und einer dezentralen Feinplanung auf der Werkstattebene.
Die kapazitätsgeprüfte Grobplanung in Wochen- oder Halbwochentakten synchronisiert die Arbeitsinhalte über den kompletten Produktionsprozess von der Stahlerzeugung über die Umformung und Wärmebehandlung bis hin zur Adjustage und gibt den Aggregaten einen machbaren Arbeitsvorrat mit verbindlichen Eckterminen vor. Dies ermöglicht den Überblick über die tatsächlich anstehenden Produktionssaufträge und gibt der Produktion klare Liefertermine vor. Innerhalb der Takte arbeitet die Produktion die Aufträge eigenverantwortlich ab und kann somit flexibel auf Veränderungen und Störungen reagieren.
PiT®- Produzieren im Takt unterstützt unsere Organisation
Durch die Taktorientierte Planung ist die Termineinhaltung immer im Blick, Rückstände werden sofort transparent und Engpässe werden bereits bei der Einplanung erkannt. Maßnahmen können umgehend eingeleitet werden. Gezielt aufgebaute Regelkreise mit kurzen Informationswegen und klaren Verantwortlichkeiten und eine Regelkommunikation mit gelebtem Eskalationsmanagement gehören ebenso zur PiT®.
Strategie wie die dezentralisierte Verantwortung für die termingerechte Abarbeitung innerhalb der Takte. Die Verantwortlichen in der Produktion kennen ihren aktuellen Arbeitsvorrat und nehmen die Feinplanung ihres Produktionsbereichs eigenverantwortlich vor. Störungen im aktuellen Takt werden möglichst innerhalb des Taktes abgefangen. Erst wenn absehbar Ecktermine überschritten werden und der nachfolgende Prozess den Rückstand nicht mehr aufholen kann, wird eine Umplanung erforderlich, immer mit Blick auf den Kundentermin. Die Flexibilität in der Abarbeitung der Aufträge und die Motivation der Mitarbeiter zur Termineinhaltung konnte damit noch stärker ausgebaut werden.
"Gezielt aufgebaute Regelkreise mit kurzen Informationswegen und klaren Verantwortlichkeiten und eine Regelkommunikation mit gelebtem Eskalationsmanagement gehören ebenso zu PiT®– Produzieren im Takt."
Gelebtes Shopfloormanagement
PiT®- Produzieren im Takt = optimale Verzahnung der Grobplanung in Takten, der dezentralen Feinplanung und des Shopfloormanagements!
In der Wärmebehandlung und der Adjustage wurden an allen Aggregaten Teamboards aufgebaut. Dort werden Informationen zum Arbeitsvorrat visualisiert: Auslastung, Rückstand und Aufträge mit Priorität. Hinzu kommen Informationen zur Personaleinsatzplanung, zu Störungen, Qualitätsproblemen und Kennzahlen aus dem 3Liter-PPS®. Entlang des Wertstroms findet zweimal wöchentlich zu Taktbeginn ein Rundgang der Disponenten mit der Produktion statt. Der Rundgang dient zur Durchsprache von Rückstand, zur Feinabstimmung des Personaleinsatzes und zur Abstimmung von Maßnahmen bei Störungen. Wichtige Informationen liefern die generierten Kennzahlen aus dem 3Liter-PPS, die bis auf Aggregatebene herunter ausweisbar sind.
"Die gleichzeitige Einführung des Shopfloor-Managements war ein wesentlicher Schritt zum Erfolg. Die Produktion arbeitet jetzt nach Menge und Termin. Die Disponenten können mehr agieren anstatt immer nur zu reagieren. Produzieren im Takt hat sich bewährt."
Dr.-Ing. Claus H. Kiehne
Leiter Prozessmanagement
BGH Edelstahlwerke GmbH